(20) Tansania, von Durban ums Kap nach St. Helena Feb. – Apr. 2015

Über den Jahreswechsel 2014/2015 sind John und Wendy in Durban an Bord und bringen „Alumni“ wie üblich in Schuss. Die Bedingungen hierfür sind allerdings nicht einfach: Von dem einst stolzen Segelzentrum ist nur wenig übrig geblieben, die gesamte Yachtinfrastruktur befindet sich in einem ziemlich bedauernswerten Zustand. Nach Besichtigung des einzigen von der Größe geeigneten Travellifts ist es für John aufgrund des äußeren Eindrucks sofort klar, dass er mit diesem Gerät „Alumni“ nicht aus dem Wasser heben lassen wird – erstmals erhält unser Boot zu Saisonbeginn keinen neuen Unterwasseranstrich. Bis zum nächsten Kranen in Brasilien muss eine sorgfältige Reinigung des Unterwasserschiffs durch Taucher reichen. Im Januar erhalten wir eine E-Mail von John und Wendy, dass es an der Zeit sei, zurückzukommen, das Schiff sei besetzt – mit diesem anhängenden Foto als Beleg:

 

 

Ihrem Ruf folgend, treffen wir Anfang Februar in Durban ein. Wir verbringen einen gemeinsamen Abend im Roma Revolving Restaurant hoch über Durban und lauschen den Erzählungen der beiden über ihre Erlebnisse der letzten Wochen, einschließlich des Angriffs auf Wendy am helllichten Tage mitten im Stadtzentrum, bei dem ihr ein Lümmel von hinten kommend blitzschnell die Ohrringe- einfacher Modeschmuck, wie sie sagt- von den Ohren reisst. Kaum haben wir die beiden am nächsten Tag nach Neuseeland verabschiedet, wo ihre „Midnight Sun“ auf sie wartet und die Segelsaison in die Tropen bald beginnt, treffen wir alte Bekannte in der Marina: Susi und Ingolf von der „Aspasia 2“ haben wir zuletzt in Cocos Keeling auf der anderen Seite des Indischen Ozeans gesehen, Babsi und Christoph von der „Taurus“ vor 1 ½ Jahren in Vanuatu, also im Pazifik. Es wird eine ausgiebige, feucht-fröhliche Wiedersehensfeier im Point Yacht Club. Am nächsten Abend gibt es auf dem Clubgelände ein nettes, von den örtlichen Clubmitgliedern organisiertes BBQ („Braai“ auf Afrikaans) in großer Seglerrunde.

 

 

Bevor wir uns auf „Alumni“ richtig „eingeruckelt“ haben, heißt es bereits wieder packen: Wir gehen für 1 ½ Wochen in Tansania auf (Foto-)Safari. Auf dem Flug nach Dar-es-Salam fragt mich meine nette Sitznachbarin nach unseren Reiseplänen. Als ich ihr berichte, strahlt sie mich an und sagt: „Oh, wie schön – Kalibu“! Ich halte letzteres zunächst für eine mir unbekannte Antilopenart, lerne jedoch schnell, dass es „Herzlich Willkommen“ heißt.

Von Dar-es-Salam geht es mit Precision Air weiter nach Arusha, an den Fuß des Kilimandscharo, und hier passiert ein Novum in unserem Reiseleben: Wir sitzen im falschen Flugzeug! Wir folgen den Angaben auf unseren Bordkarten sowie den Informationstafeln, passieren problemlos sämtliche Kontrollen und nehmen unsere Sitzplätze ein. Doch dann schreckt uns eine Ansage auf: Diese Maschine startet in Kürze nach Sansibar und Nairobi, alle Passagiere mit anderen Zielen möchten bitte umgehend das Flugzeug verlassen. Mir gefriert das Blut in den Adern, wir stürzen aus dem Flieger und hasten quer über das Rollfeld zu einer anderen Precision Air-Maschine, auf die das Bodenpersonal eifrig zeigt. Dass uns dabei annähernd die Hälfte der vermeintlichen Sansibar-Reisenden folgt, bemerken wir erst später. Des Rätsels Lösung: Beide Flugzeuge starten zur selben Uhrzeit, und den Gatewechsel von 8 auf 2 und umgekehrt haben zumindest die der Landessprache Kiswahili Unkundigen schlichtweg nicht mitbekommen.

Am Abend sind wir samt Gepäck jedoch am richtigen Ort und werden von George, unserem Driver-Guide für die nächsten neun Tage, in Empfang genommen. Die erste Nacht verbringen wir am Lake Duluti, wo auf einer herrlichen Terrasse anlässlich des Valentinstages ein großes Grillbuffet zelebriert wird. Für mich ist es ein stimmungsvoller Geburtstagsabend unter tansanischem Sternenhimmel.

Tansania wird ein tolles Erlebnis! Wir sehen in mehreren Nationalparks Elefanten in allen Größen…

 

 

Großkatzen…

 

 

Ein mehr als ungewöhnlicher Anblick sind Löwen, die auf Bäume klettern – in ganz Afrika gibt es nur wenige Rudel, die dieses Verhalten an den Tag legen. Eines von ihnen lebt im Lake Manyara Nationalpark, den wir besuchen.

 

 

Mit Ausnahme Tausender von Zwergflamingos, die wir nur als rosafarbenes Band mitten auf dem Manyara-See wahrnehmen, können wir die artenreiche Tierwelt Tansanias dank unseres umsichtigen Guides meist aus nächster Nähe beobachten.

 

 

 

DNA-Analysen beweisen, dass der putzige Klippschliefer, der einem Meerschweinchen ähnelt und höchstens fünf Kilogramm wiegt, ein naher Verwandter des Elefanten ist!

 

 

Unsere Lodgen unterwegs sind fast immer sehr individuell und ansprechend – wie diese hier, die in einem parkähnlichen Areal inmitten einer Kaffeeplantage liegt.

 

 

Wir durchfahren den Ngorongoro-Krater am Rande der Serengeti, oft als „Garten Eden Afrikas“ und von Bernhard Grzimek als achtes Weltwunder bezeichnet. Am Boden des Einbruchkraters mit seinen bis zu 600 Meter hohen Seitenwänden leben ganzjährig fast 30.000 Großtiere; diese „Riesenschüssel“ hat die höchste Raubtierdichte Afrikas.

 

 

Das Ngorongoro-Schutzgebiet gilt auch als Wiege der Menschheit: Eine gute Fahrstunde vom Krater entfernt wurden in einer Schlucht Fossilien und menschliche Knochen gefunden, die teilweise über drei Millionen Jahre alt sind.

Unser nächstes Ziel ist die Serengeti, „die endlose Ebene“ in der Sprache der Massai, eine Savanne in der Größe Schleswig-Holsteins.

 

 

Hier erleben wir ein einzigartiges Naturspektakel, den Beginn der „Großen Wanderung“. Jahr für Jahr begeben sich weit über eine Million Gnus, 250.000 Zebras sowie etwa 500.000 Gazellen und Antilopen auf der Suche nach Wasser und Nahrung auf einen mehr als 1.000 Kilometer langen Rundkurs, der hier im Süden der Serengeti beginnt, wo während der Regenzeit die Jungtiere geboren werden. Mit Beginn der Trockenzeit setzt sich der Tross Richtung Norden in Bewegung, 40 bis 50 Kilometer lange Herden wandern bis November in die in Kenia angrenzende Masai Mara-Ebene. Wenn das Gras in Kenia abgeweidet ist und in der Serengeti wieder die ersten Regenfälle einsetzen, geht es zurück. Nun gilt es, mittlerweile reißende Flüsse zu queren, das schaffen nur die Starken, zumal hier Krokodile auf reiche Beute warten. Löwen, Hyänen und Geparde sind als territoriale Tiere ebenfalls davon abhängig, dass die Herden in ihrem Revier auftauchen, insbesondere für die Aufzucht des eigenen Nachwuchses. So ist auch der Lebenszyklus der Raubtiere an die „Große Wanderung“ gekoppelt.

 

 

Bei unserer Ankunft in der Serengeti stehen die Tiere noch in vielen Kleingruppen herum. Bereits am nächsten Morgen haben sich auf dieser Grassteppe, die am Vortag mehr oder weniger leer war, Zebras zu einer Herde von Hunderten von Tieren zusammengeschlossen und machen sich allmählich auf den langen Weg. Denn Zebras, die die Grasspitzen abfressen, bilden die Vorhut der „Großen Wanderung“.

 

 

Ihnen folgen die Gnus, die Gräser mittlerer Länge bevorzugen. Erst dann kommen die Gazellen und Antilopen, die das kurze Gras bis zum Boden abknabbern. Durch einige Herden fahren wir hindurch, andere sehen wir als ausgedehntes schwarzes Band am Horizont – es ist ein gewaltiges Schauspiel.

Große Verdienste zur Rettung und zum Schutz dieser Wanderung haben sich Professor Bernhard Grzimek und sein Sohn Michael erworben, der in der Serengeti bei den Dreharbeiten zu dem Film „Serengeti darf nicht sterben“ tödlich verunglückte. Dieser Dokumentarfilm gewann 1959 als erste deutsche Filmproduktion nach dem 2. Weltkrieg einen Oscar.

 

 

Bernhard und Michael Grzimek sind am Rande des Ngorongoro-Kraters beigesetzt und stehen in Tansania noch heute in hohem Ansehen. Sie haben zunächst den Weg dieser gigantischen Herden erforscht und im Anschluss eine aktive Rolle bei den Verhandlungen mit den Massai übernommen, die das gesamte Gelände für ihre Rinderherden beanspruchten. Es galt, mittels sogenannter Korridore Lücken auf dem Rundkurs zu schließen, andererseits konnte man Gebiete abtreten, die sich für die Tierwanderung als nicht notwendig erwiesen. Die damals stark dezimierten Wildbestände – etwa 400.000 nach der ersten Zählung von Bernhard und Michael Grzimek – haben sich aufgrund dieser Maßnahmen mittlerweile auf zwei Millionen erholt.

Auf dem Weg zu unserer nächsten Lodge platzt ein Hinterreifen unseres „Land Cruiser“. Um an den Wagenheber zu kommen, müssen wir unser gesamtes Gepäck ausladen. Binnen kurzem stehen vier andere Geländewagen und mindestens so viele kluge Ratgeber um uns herum, von denen jedoch auch einer  die Ärmel hochkrempelt und mit anfasst.

 

 

Am 24. Februar sind wir zurück in Durban. Es beginnt das zermürbende Warten auf ein geeignetes Wetterfenster zur Rundung des Kaps. Die Hoffnung, in einem Rutsch bis Kapstadt durchfahren zu können, begraben wir schnell. In früheren Jahren war das um diese Jahreszeit möglich, diesmal jedoch offensichtlich nicht. Wir schauen uns die Liegeplätze an, die wir mit unserer Schiffsgröße anlaufen können, es sind nicht viele: Das etwa 300 Seemeilen entfernte East London, Port Elizabeth nach weiteren 150 und Mossel Bay nach nochmals 200 Seemeilen. Wir brauchen sie alle!
Da die Phasen nordöstlicher Winde stets zu kurz sind, um den nächsten Hafen zu erreichen, gestaltet sich jede Etappe der Kapumrundung nach dem gleichen Grundmuster: Wir laufen in den abflauenden Südwest-Starkwind aus und bleiben zunächst in der etwas ruhigeren Küstenzone. Sobald die Winddrehung eintritt, halten wir vierkant von der Küste weg, um möglichst schnell in den Agulhas-Schiebestrom zu gelangen und hoffen, den nächsten Hafen zu erreichen, bevor der Südwest wieder in Sturmstärke bläst.

 

 

Mehr oder weniger teilt sich die Strecke dann in ein Drittel übles Gebolze bei „Strom gegen Wind“, ein Drittel herrliches Raumschotsegeln unterstützt vom Agulhasstrom und ein Drittel „Sonstiges“.

 

 

Hier haben wir den Strom offenbar gefunden: 11 Knoten Speed bei 25 Knoten wahrem, aber nur 14 Knoten scheinbarem Wind im Segel schaffen wir ohne Strom natürlich nicht. Lange Zeit sind wir sogar mit 12 1/2 Knoten unterwegs.
Während wir uns in East London und Mossel Bay jeweils nur einen Tag aufhalten, liegen wir in Port Elizabeth wetterbedingt fünf Tage lang fest. Wir genießen die Gastfreundschaft des Alboa Yachtclubs samt Restaurant und der stets gut besuchten Clubbar.

 

 

Auf den letzten 150 Seemeilen von Mossel Bay bis Kapstadt haben wir strahlend schönes Wetter mit einer Ausnahme: Direkt am Kap Agulhas bläst es in der Nacht mit 30 bis 40 Knoten.
Am 14. März gegen 6 Uhr morgens haben wir den südlichsten Punkt Afrikas querab, wir wechseln vom Indik wieder in den Atlantik, der Wind lässt nach.

 

 

Uns begleiten Robben, Wale, Delfine und eine Vielzahl von Seevögeln – viel, viel mehr, als man in den Tropen zu sehen bekommt. Ein Grund, warum wir die höheren Breiten mehr und mehr als Segelrevier schätzen. Unter Fock laufen wir die Küste hoch. Das im Vergleich zum Kap Agulhas viel berühmtere Kap der Guten Hoffnung ist aus der (sicheren) Entfernung wenig spektakulär.

 

 

Nach Einbruch der Dunkelheit segeln wir entlang einer hell erleuchteten Küste und freuen uns auf eine angenehme Fahrt. Innerhalb von zwei Minuten ist es jedoch schwarz um uns herum. Wir denken zunächst an einen der zahlreichen Stromausfälle, von denen man in Südafrika immer wieder liest und hört – schnell müssen wir aber feststellen, dass uns pottdicker Nebel umgibt.
Wir halten uns am Rand des Verkehrstrennungsgebiets und sehen selbst dessen riesige Tonnen erst, als sie unmittelbar neben uns auftauchen. Schließlich tasten wir uns per Radar in ein Ankerfeld für „small crafts“ neben der Hafeneinfahrt von Kapstadt hinein. Nachts um 2 Uhr fällt der Anker; laut Kartenplotter sind wir in Kapstadt angekommen.

Ein Blick aus dem Niedergang am nächsten Morgen bestätigt, dass die Instrumente uns richtig geleitet haben: Vor uns liegen Devil’s Peak und der Tafelberg.

 

 

Wir verlegen uns in den altehrwürdigen Royal Cape Yacht Club unterhalb des Tafelbergs. Der RCYC ist Ausrichter bekannter Hochseeregatten, allen voran des Kapstadt-Rio-Race.

 

 

Am 25. März kommt Wolfgang an Bord, erfahrener Mitsegler auf den anspruchsvolleren Passagen wie über die Biscaya, nach Nova Scotia und Neuseeland. Wir denken, ihm diesmal mit der Überfahrt über den Südatlantik einen etwas gemütlicheren Törn bieten zu können.

 

 

Oft weht im Sommer der South Easter, bekannt als „Cape Doctor“, und deckt den Tafelberg mit dem berühmten Tischtuch ein.

 

 

Bei Wolfgangs Ankunft haben wir aber Superwetter, und so geht es trotz seiner langen Anreise bei phantastischer Sicht sofort mit der Seilbahn auf den Tafelberg.

 

 

Susi und Ingolf von der „Aspasia 2“, die vor wenigen Tagen in Kapstadt angelandet sind und direkt neben uns liegen, begleiten uns.

 

 

Auch auf dem Tafelberg gibt es Klippschliefer oder – wie sie hier genannt werden – Klippdachse.

 

 

Wir lassen den schönen Tag in „Groot Constantia“, dem ältesten Weingut Südafrikas mit kapholländischer Architektur, bei einem Glas Sauvignon Blanc ausklingen.

 

 

Zwei Tage später schließen wir eine Rundfahrt um die Kap-Halbinsel an.

 

Die False Bay im Osten der Halbinsel – alles andere als ein harmloses Badegewässer

 

Strandhütten am St. James Beach

 

Simon’s Town

 

 

Am Boulder’s Beach lebt eine Kolonie von Brillenpinguinen

 

An der Südspitze der Kap-Halbinsel

 

 

Org und ich waren ja schon häufiger in der Kapregion – Orgs Großeltern waren Südafrikaner und haben hier 30 Jahre gelebt. Es ist jedoch das erste Mal, dass ich auf der Rückfahrt nach Kapstadt den Chapman‘s Peak Drive miterlebe; zuletzt war diese Küstenstraße, die sich in mehr als 100 Kurven auf neun Kilometern unmittelbar zwischen Atlantik und steilen Felswänden entlang schlängelt, stets wegen Steinschlags gesperrt.

Pünktlich zum Sundowner tauchen wir in das bunte Treiben an der Victoria & Alfred Waterfront rund um zwei historische Hafenbecken ein.

 

 

Eine wunderschöne Zeit verbringen wir bei unseren Freunden Hans und Eva in ihrem Haus in Somerset West. Sie begrüßen uns mit einem köstlichen Braai und standesgemäßem „Alumni“-Bier (aus der benachbarten Unistadt Stellenbosch)!

 

 

In den umliegenden Weingütern versorgen wir uns mit guten Tropfen für die nächste Segeletappe.

 

 

Wir fassen Diesel und Proviant, dann unternehmen wir einen letzten Ausflug in das Stadtviertel Bo-Kaap mit seinen bunten Häusern. Hier leben die Kapmalaien, wie sie sich selbst bezeichnen, Nachfahren ehemaliger Sklaven aus den niederländischen Kolonien, die sich im 18. Jahrhundert am Fuß des Tafelbergs niederließen.

 

 

Wir machen uns klar zum Auslaufen. Ein Wegweiser zeigt die Optionen auf: Mit Ausnahme von Rio kennen wir sie alle, und so heißt es denn für uns „Cape2Rio“, allerdings sofort und nicht erst im Jahr 2017.

 

 

Am 31. März verabschieden wir uns von der „Aspasia“. Kaum haben wir um die Mittagszeit den Hafen verlassen, umgibt uns immer stärker werdender Dunst – das hatten wir doch schon mal. Ein letzter Blick auf den Tafelberg, dann ist Kapstadt in dichtem Nebel verschwunden und schon wieder Geschichte.

 

 

Von Kapstadt nach Rio segelt man üblicherweise nicht auf direktem Weg, denn dort liegt stets ein stabiles Hochdruckgebiet mit ausgeprägten Flauten, vergleichbar mit den Rossbreiten auf der Nordhalbkugel. Man hält stattdessen zunächst nach Norden, bis man in den Einfluss des Südost-Passats kommt und nimmt dann erst Kurs auf Rio. Wir wählen allerdings eine Variante dieser Route: Nur zwei- bis dreihundert Seemeilen weiter nördlich liegt St. Helena, ein winziges Eiland im Südatlantik, das wir besuchen wollen.

Auf dem Weg nach St. Helena haben wir unterschiedlichstes Wetter: Zu Beginn 20 bis 25 Knoten Wind und ruppige See; „Alumni“ rollt kräftig, es ist kühl. Später lässt der Wind deutlich nach. Bei nun eher glattem Wasser machen wir dennoch kein schlechtes Tempo (obgleich der Skipper zu spüren meint- und immer noch damit hadert-, dass wir in Durban den Unterwasseranstrich nicht erneuern konnten). Die dicken Fleecedecken und Pullover können wir bald zur Seite legen.

 

 

Der 6. April, es ist Ostersonntag, wird ein ereignisreicher Tag: Um 6 Uhr morgens kreuzen wir den Längengrad von Leer – „Alumni“ ist 360° um die Welt rum,…

 

 

… wir unterschreiten die 1.000-Seemeilen-Grenze bis nach St. Helena, und beim Frühstück herrscht süßer Hasenalarm.

 

 

Wolfgang lässt erstmalig den Song für die nächsten Tage durchs Schiff dröhnen: „St. Helena um Mitternacht“ von Freddy Quinn aus dem Jahr 1972!  Für alle Freddy-Hardcorefans folgender Link:

 

 

 

Am Vormittag des 13. April erreichen wir St. Helena, das zum Britischen Überseegebiet St. Helena, Ascension und Tristan da Cunha gehört und damit zwar nicht Teil des Vereinigten Königreiches ist, aber unter dessen Souveränität steht. Rund 1.800 Seemeilen liegen seit Kapstadt in unserem Kielwasser.

Es gibt Orte, an denen die Geschichte nur einmal vorbeikommt, die mit dieser Geschichte aber auf ewig verbunden bleiben – wie St. Helena mit der von Freddy besungenen Verbannung Napoleons. Als ihr berühmtester Bewohner wider Willen die entlegene Vulkaninsel beim ersten Anblick vor genau 200 Jahren als „verfluchten Fels“ bezeichnete, muss er sie etwa aus unserer Perspektive gesehen haben.

 

 

Die Insel fällt rundherum schroff ins Meer, ohne jede Ankermöglichkeit. Vor dem Hauptort Jamestown mit knapp 1.000 Einwohnern gibt es heute jedoch ein Mooringfeld in hervorragendem Zustand für durchreisende Yachten, ein paar Ausflugsboote und alte Fischerkähne.

 

 

Um an Land zu kommen, ist für die Mooringlieger ein Fährservice eingerichtet. Vor dem kleinen Anleger steht häufig heftiger Schwell. Die kräftigen Seile, die hier verspannt sind, sollen den Fahrgästen beim rettenden Sprung an Land helfen.

 

 

Auch Reisende, die nach fünftägiger Fahrt per Postschiff von Kapstadt oder auf einem der gelegentlich vorbeifahrenden Kreuzfahrer ankommen, dürfen Wellen und Brandung nicht scheuen – vor St. Helena wird ausgebootet wie zu Napoleons Zeiten.

Wir bleiben drei Tage auf St. Helena. Bereits beim zweiten Landgang werden wir von den Bewohnern von Jamestown freundlich gegrüßt.

 

 

Das im Tal liegende Unterdorf ist mit dem Oberdorf durch die sogenannte Jakobsleiter mit 699 Stufen verbunden. Der Rekord für den Weg nach oben liegt bei vier Minuten, so manch eine braucht jedoch auch geringfügig länger.

 

 

Auf einer Rundfahrt über die Insel mit unserem Guide Robert unter dem Motto „History on Wheels“ fühlen wir uns, was die spärliche Besiedlung angeht, zurückversetzt in das ländliche England vor 100 Jahren. Landschaftlich erschließt sich der Charme der schwarzen Basaltklippen, zerklüfteter Felsformationen und tiefer Täler mit üppiger subtropischer Vegetation erst auf den zweiten Blick.

 

 

Wir wandeln natürlich auch auf Napoleons Spuren. Er lebte hier von 1815 bis zu seinem Tod im Jahr 1821. In Longwood House verbrachte Napoleon den größten Teil seiner Verbannung. Seit 1858 befindet sich das Haus, und nur dieses Haus, in französischem Besitz.

 

 

Napoleon selbst hat diesen Platz zu seiner Grabstätte für den Fall bestimmt, dass er auf St. Helena bleiben müsse. Die Grabplatte trägt keine Inschrift, da Briten und Kontinentaleuropäer sich schon damals nicht auf einen gemeinsamen Text einigen konnten – kommt einem irgendwie bekannt vor. Allerdings hat Frankreich seinen großen Sohn rund 20 Jahre nach dessen Tod „nach Hause“ geholt, wo er nun einen würdigen Platz im Invalidendom einnimmt.

 

 

Das Plantation House ist der Sitz des Gouverneurs von St. Helena, Ascension und Tristan da Cunha. Weit berühmter als der Gouverneur ist jedoch ein anderer Bewohner: die Schildkröte Jonathan, mit über 180 Jahren vermutlich das älteste Reptil der Erde. Wir bekommen Jonathan nicht zu Gesicht – offenbar hält er gerade Mittagsruhe.

 

 

Aufgrund des zunehmenden Murrens der britischen Steuerzahler über die hohen Transferzahlungen an die kleine Südatlantikinsel beschloss die britische Regierung vor einigen Jahren, St. Helena wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen. Sozusagen als Mitgift wurden zwei wichtige Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht:

Erstens ein Flughafen, um die jahrhundertelange Abgeschiedenheit der 2.000 Kilometer von der afrikanischen Küste entfernten Insel zu beenden und den Tourismus anzukurbeln. Mit dem Bau wurde 2012 begonnen, ein Berggipfel abgetragen und ein ganzes Tal aufgeschüttet, um dort die ganz schön kurze, dem Landedeck eines Flugzeugträgers ähnelnde Landebahn anzulegen – der Anflug muss ein Nervenkitzel für Piloten und Passagiere sein. Aus der Entfernung (fachlich und örtlich) wirkt das Projekt recht fortgeschritten und die fürs nächste Jahr, also 2016, geplante Inbetriebnahme nicht unrealistisch.

 

 

Erst später lesen wir, dass der kommerzielle Start immer wieder verschoben wird, weil Piloten die tückischen Scherwinde nicht in den Griff bekommen und sich teilweise weigern, die Insel überhaupt anzufliegen. Nun werden statt der ursprünglich geplanten Mittelstreckenjets kleinere Maschinen mit etwa 80 Passagieren eingesetzt, die mit den Windverhältnissen besser zu Recht kommen. Mehr als 300 Millionen Euro, doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt, hat das Projekt bis zu seiner Fertigstellung verschlungen, das in der britischenen Presse mit Schlagzeilen wie „der sinnloseste Flughafen der Welt“ bedacht wird. Immerhin, anders als BER ist der Airport auf St. Helena seit Oktober 2017 offiziell eröffnet und die wöchentliche Luftbrücke von/nach Johannesburg mit Zwischenlandung in Windhuk etabliert.…

Das zweite Infrastrukturprojekt ist der Aufbau eines Mobilfunknetzes, das bei unserem Besuch bereits ordentlich funktioniert. Allerdings ist das Internet, wie wir im Internetcafé feststellen müssen, aufgrund der aktuellen Satellitenübertragung keinesfalls schneller als Jonathan. Dies soll sich durch die Anbindung an ein geplantes transatlantisches Seekabel von Google in wenigen Jahren ändern.

Nach der Rückkehr von unserem Inselausflug beobachten wir das Einlaufen einer Segelyacht – es ist die „Schüssel“ mit Christine und Herbert, die wir zuletzt in Durban gesehen haben. Wir verbringen einen vergnüglichen Abend zusammen.
Der letzte Tag auf St. Helena ist mit Routineaufgaben wie Ausklarieren und letzten Einkäufen ausgefüllt, dabei sind die Verproviantierungsmöglichkeiten äußerst begrenzt, denn das Versorgungsschiff aus Kapstadt wird erst wieder am kommenden Wochenende erwartet. Nach einem guten Frühstück laufen wir am 17. April aus, mehr als 2.000 Seemeilen liegen vor uns – „Rio, wir kommen!“. Doch dies ist ein anderer Bericht.



1 Kommentar

  • Monika und Günter Brand # Direkt antworten

    Liebe Sylvia, lieber Org,
    beeindruckende Erlebnisse gibt es offenbar nicht nur auf See, sondern auch auf Landausflügen, wie euer Bericht über Tansania zeigt. Ich entnehme den Schilderungen und den fantastischen Fotos, dass alles Erlebte einen nachhaltigen Eindruck auf euch gemacht hat.
    Den gibt es auch bei mir bezüglich der Serengeti. Als Schülerin der „Michael-Grzimek-Schule“ in West-Berlin habe ich im Unterricht viel über das Engagement von Vater Bernhard Grzimek und seinem Sohn Michael für die wilden Tiere Afrikas gelernt. Noch heute steht das Buch „Serengeti darf nicht sterben“ in meinem Regal.
    Uns beide (Günter und mich) haben große Wildtierherden im Mai 2009 in Namibia im Etosha-Nationalpark und im Okawango-Delta in Botswana sehr begeistert. In einer weitläufigen Lodge liefen Flusspferde und Elefanten frei herum. Gottseidank gibt es dort keinen Massentourismus. Einheimische Guides, die gute Kenntnisse über Flora und Fauna haben, machen Touren in offenen Jeeps.
    Euch wünschen wir weitere spannende und lehrreiche Begegnungen auf See und an Land!
    Monika und Günter Brand 9.9.2019

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