Von Tonga nach Neuseeland

Die letzten beiden Tage in Nuku’alofa vergehen wie im Fluge: Diesel per Kanister und Taxi von der nächsten Autotankstelle heranschaffen (die Tankstelle in unserem Hafen gibt es nicht mehr), verproviantieren, ausklarieren. Dann sind wir auslaufbereit und verlegen uns an die kleine vorgelagerte Insel Pangaimotu mit dem „Big Mama Yacht Club“, einem schlichten Resort mit ebenso schlichtem Restaurant. Neben den Tagesgästen aus Nuku’alofa zieht der „Yacht Club“ viele Segler an, die sich auf dem Sprung nach Fidschi und – zu dieser Jahreszeit – vor allem nach Neuseeland befinden. Nicht, dass Seglern ein besonderer Service geboten würde, wie der Name vielleicht suggeriert, aber man liegt hier – solange kein stärkerer Wind aus Westen bläst – einfach viel angenehmer als in Nuku’alofa, das mit einer kleinen Fähre im Pendelverkehr bequem zu erreichen ist.

Gerne hätten wir hier noch ein paar Tage „abgehangen“, während wir auf ein Wetterfenster nach Neuseeland warten. Doch bereits am ersten Abend zeigen die Grib Files ein günstiges Bild: Vor der Nordinsel baut sich gerade ein Hoch auf. Auch unser Wetterrouter in Kiel empfiehlt den unverzüglichen Aufbruch. Am nächsten Morgen springe ich dennoch erst einmal ins Wasser und befreie das Unterwasserschiff so gut es geht von den beachtlichen Algenbärten, die seit Tahiti gewachsen sind. Wir warten auch noch den Durchgang einer dicken Regenbö ab, dann – am Mittag des 7. Oktober – heißt es „Anker auf“. Wir passieren das Inselchen Atata mit dem Royal Sunset Island Resort und erreichen über den Egeria-Kanal, der durch das Saumriff vor Tongatapu führt, den offenen Pazifik. Spät am Nachmittag verschwindet das Land hinter der Kimm – wieder einmal liegt eine Passage von gut 1.000 Seemeilen vor uns. Unsere neuseeländischen Freunde John und Wendy sind mit ihrer „Midnight Sun“ einen Tag früher von Fidschi gestartet; wir wollen uns in Opua in der Bay of Islands treffen.

Die ersten Tage verlaufen eher gemütlich. Wir starten mit 20 Knoten hoch am Wind, der anschließend immer mehr raumt, so dass wir bequem unseren Zielkurs anliegen können. Nach zwei Tagen liegt das North Minerva Reef querab, wo wir in der Vergangenheit schon einige vergnügliche Tage mit anderen Seglern vor Anker verbracht haben. Doch die Wetterprognose für das Seegebiet um die neuseeländische Nordinsel ist weiterhin günstig: keine Sturmtiefs in Sicht, die innerhalb weniger Tage von Tasmanien quer über die Tasman-See heraneilen könnten. Daher beschließen wir, diesmal auf den angenehmen Zwischenstopp in dem einsamen Atoll mitten im Pazifik zu verzichten. Kurz darauf haben wir die einzige Schiffsbegegnung auf dieser Passage: Wir sichten das Forschungsschiff „Marcus Langseth“ der New Yorker Columbia University, das auf die 3D-seismische Untersuchung des Meeresbodens wie hier an der Nahtstelle von Australischer und Pazifik-Platte am „Ring of Fire“ spezialisiert ist.

Der Wind flaut ab, stundenweise müssen wir bereits motorsegeln, schließlich die schlagenden Segel bergen. John und Wendy, mit denen wir fast täglich im Emailkontakt stehen, geht es nicht besser. „Dann machen wir halt die ‚Oil Barons‘ happy“, fügen sie sich in ihr Schicksal.

 

 

Am dritten Schwachwindtag überfliegt uns eine Maschine der neuseeländischen Air Force und nimmt über Funk unsere Schiffs- und Reisedaten auf. Bereits in Tonga haben wir unsere Ankunft vorschriftsgemäß per Email avisiert. Wenig später frischt der Wind auf, bläst dabei aber vierkant von vorne und fördert Luftmassen aus kälteren, südlichen Regionen heran. Schnell schlüpfen wir wieder in lange Hosen und unsere Fleecejacken; die Temperatur stürzt von 25 auf bis zu 12,5 Grad in der Nacht – das sind wir schon lange nicht mehr gewohnt! Die beiden letzten Tage werden noch einmal richtig ungemütlich: Wind weiterhin von vorne mit 25, in Böen bis 30 Knoten; Kreuzseen aus allen Richtungen – Waschmaschine pur. Eine aus Fidschi kommende Oyster, Teilnehmerin der Oyster World Rally 2017-2019, berichtet über Funk von einem Fast-Knock-Down. Neuseeland auf eigenem Kiel nur auf die bequeme Art gibt es normalerweise nicht, und das ist gut so!

Am Sonntag, den 15. Oktober, klart das Wetter plötzlich auf. Bei strahlendem Sonnenschein und ruhiger See laufen wir nach acht Tagen und 1.055 Seemeilen in die wunderschöne Bay of Islands ein. Damit endet zugleich unsere zweite Pazifiküberquerung, die etwa acht Monate und 8.000 Seemeilen zuvor in Puerto Montt/ Chile begann. Am Zollkai von Opua nehmen John und Wendy, die einen Tag vor uns angekommen sind, unsere Leinen an. Innerhalb weniger Stunden füllt sich der Kai mit Yachten, die aus den verschiedensten Ecken der Tropen eintreffen. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung; für viele war es die erste Überfahrt nach Neuseeland, aber auch die Routiniers haben Respekt vor dieser Passage und freuen sich, dass mal wieder alles geklappt hat.

Das Einklarierungsprozedere in Neuseeland ist sehr genau, insbesondere im Bereich „Bio Security“: Erbarmungslos werden alle verbliebenen frischen Lebensmittel an Bord konfisziert, um später vernichtet zu werden. Noch verlassen sich die Behörden beim Einsammeln weitgehend auf die Einsicht der Segler, aber über den Einsatz von Spürhunden wird – angesichts der vielen entdeckten „forgotties“ nach nur oberflächlicher Inspektion – bereits gemunkelt. Andererseits ist festzuhalten, dass der Segelsport in Neuseeland auch von offizieller Seite viel Unterstützung erfährt: Zum Ende der Segelsaison in den Tropen und Beginn des Frühlings in Neuseeland, wenn bei jedem Wetterfenster die Yachten jeweils in großen Pulks von Norden einfallen, wird das Klarierungspersonal in Opua durch Abzug von anderen Stellen massiv aufgestockt. Wir gehören zur ersten Einreisewelle dieser Saison, aber die Behörden sind auf den Ansturm bereits gut vorbereitet, und alles läuft zügig ab.

Nach der Wiedersehensfeier setzen wir uns zwei Tage mit John und Wendy zusammen, um die Überholungsarbeiten auf „Alumni“ abzusprechen, die wie jedes Jahr unter ihrer Regie ablaufen sollen, während wir in Deutschland sind. Nach fast 60.000 Seemeilen und aufgrund der guten Reparaturfazilitäten in Neuseeland – insbesondere auch im Vergleich zu unseren nächsten Reisezielen- steht in diesem Jahr ein umfangreiches „Refit“-Programm an.
Ein paar Tage bummeln wir bei bedecktem Himmel, aber gutem Segelwind von 15 bis 20 Knoten die schöne, buchtenreiche Küste zwischen der Bay of Islands und dem Hauraki-Golf entlang. Gleich am Ausgang der Bay verfolgen wir das Duell zweier riesiger Trimarane, die weit an der Spitze des 2017 Coastal Classic Race von Auckland zur Bay of Islands liegen.

 

 

Seit dem Startschuss vor Auckland, etwa 100 Seemeilen entfernt, sind gerade einmal vier Stunden vergangen! Momentan liegen die Rennmaschinen jedoch in einem Flautenloch vor Cape Brett fest geparkt – wir können uns die Nervosität an Bord lebhaft vorstellen.

Am 25. Oktober machen wir in der schön gelegenen Gulf Harbour Marina im Hauraki-Golf gegenüber von Auckland fest, die in den nächsten 1 ½ Jahre wieder unser „Heimathafen“ sein wird. In der Marina herrschen geschäftiges Treiben und eine erwartungsvolle Stimmung, denn seit Tagen weht frischer Nordwest. Die vielen Segler aus dem Norden, „they are all coming now!“ – die neuseeländische Segelsaison kann beginnen. Wir hingegen werden die Zeit von November bis Anfang Februar in Deutschland verbringen. Eine meteorologisch fragwürdige Reiseplanung, aber die Familie zu Hause hat schließlich lange genug auf uns gewartet!



Sag was dazu

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. *) erforderlich