In Südkorea

Bis zum letzten Augenblick bemühen wir uns um eine Einreisegenehmigung für Japan, nur um vom internationalen Flughafen in Fukuoka auf direktem Weg zur nahegelegenen Marina zu gelangen und das Land sofort wieder zu verlassen – vergeblich. Während sich rundherum die Welt längst wieder öffnet, betreibt die japanische Regierung – angesichts der bevorstehenden Oberhauswahl im Sommer wohl auch unter dem Druck der öffentlichen Meinung – eine äußerst restriktive Politik. Inselsyndrom oder Rückfall in den über Jahrhunderte gelebten Isolationismus der Edo-Zeit? Auf uns jedenfalls wirkt die rigorose Abschottung für eine in den Welthandel eingebundene, exportorientierte Nation ziemlich befremdlich.

Damit „Alumni“ nicht noch ein weiteres Jahr in Japan an der Kette liegt, bleibt es also bei „Plan B“: die Überführung des Bootes durch eine bezahlte Crew nach Südkorea, um von dort unsere Reise fortzusetzen. Vierfach geimpft und mit frischem PCR-Test ausgestattet, starten wir am 13. Mai 2022 vom Düsseldorfer Hauptbahnhof – wie immer mit großem Gepäck deutlich über der 100-Kilo-Grenze.

 

 

Südkorea hat seine Einreisebeschränkungen an die abflauende Pandemie angepasst, so dass uns der ursprünglich eingeplante Aufenthalt in einem Quarantänehotel am Seouler Flughafen Incheon erspart bleibt. Die gewonnene Zeit wollen wir für eine 10-tägige Reise von Seoul quer durch Südkorea zur Hafenstadt Busan am Japanischen Meer nutzen. Ein zweiter, unmittelbar nach der Einreise vorgeschriebener und direkt am Flughafen durchgeführter PCR-Test fällt ebenfalls negativ aus. Wir nehmen Quartier im Plaza Seoul mitten im Zentrum mit Blick auf das alte und neue Rathaus.

 

Am nächsten Morgen holt uns unser netter, recht gut Englisch sprechender Reiseführer und Fahrer Denny ab, der uns bis Busan begleiten will. Nach zweijähriger pandemiebedingter Pause, in denen er sich mit allen möglichen Jobs über Wasser gehalten hat, kann er endlich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen und ist entsprechend motiviert. Neben dem offiziellen Besichtigungsprogramm zeigt Denny uns Ecken von Seoul, die ihm besonders gut gefallen und das Lebensgefühl der hippen Megacity widerspiegeln. Wir sind angenehm überrascht, dass die Stadt, in der jeder fünfte der über 50 Millionen Südkoreaner lebt, gar nicht nur diese seelenlose Anhäufung von Wolkenkratzern ist, die wir erwartet haben. An vielen Stellen liegen Tradition und Moderne dicht nebeneinander – oft als bewusstes, architektonisch reizvolles Ensemble und Sinnbild dafür, wie gut es dem Land gelingt, bei allem Fortschritt und rasantem wirtschaftlichen Aufschwung sein kulturelles Erbe zu bewahren.

 

 

Der Gyeongbokgung („Palast der strahlenden Glückseligkeit“) im Norden der alten Stadt wurde 1395 errichtet und ist der größte und schönste der fünf Königspaläste Seouls. In der über 500 Jahre währenden Joseon-Dynastie war er Hauptpalast und Residenz der Königsfamilie. Ein Teil der im Zuge der japanischen Invasion im 16. Jahrhundert und der Annexion im 20. Jahrhundert zerstörten Gebäude ist wieder aufgebaut.

 

Das Tor Heungnye-mun

 

Geunjeong-jeon („Halle der sorgfältigen Regierung“)

Die  Thronhalle steht auf einem zweistufigen Sockel, denn nur der Kaiser von China, dem Korea damals tributpflichtig war, durfte dreistufig bauen. Geunjeong-jeon wurde für Audienzen und Krönungszeremonien genutzt.

 

 

Dreimal am Tag findet ein Wachwechsel der Palastgarde in den farbenfrohen Kostümen der Joseon-Dynastie statt.

 

 

Die Kulisse des weitläufigen Palastgeländes ist gerade auch bei jungen Leuten sehr beliebt für ein auf Social Media gepostetes Foto in traditioneller koreanischer Tracht (Hanbok).

 

 

Nicht weit vom Palast liegt Bukchon mit 900 traditionellen Hanok-Häusern, die aus Stein, Holz, Erde und Reispapier bestehen. Das Dorf war während der Joseon-Dynastie Residenz der herrschenden Klasse, und auch heute noch leben hier einige ihrer aristokratischen Nachfahren.

 

 

Neben der traditionellen Architektur prägen die oft kühnen, hypermodernen Entwürfe der internationalen Architektenavantgarde das Stadtbild. So gibt es mit der Dongdaemun Design Plaza sogar ein Bauwerk der britisch-irakischen Stararchitektin Zaha Hadid, deren Entwürfe lange als unrealisierbar galten.

 

 

Uns gefällt an Seoul, dass bei aller Moderne die Lebensqualität nicht zu kurz kommt. Ein gutes Beispiel für den Ideenreichtum der Architektur- und Kunstszene ist der Rückbau einer 50 Jahre alten Autohochstraße zu dem ein Kilometer langen „Skygarden“ mit 24.000 Pflanzen in Betonkübeln, die in der nächsten Dekade zu einer grünen Oase in unmittelbarer Hauptbahnhofsnähe heranwachsen werden.

 

Quelle und Copyright: Architekturbüro MVRDV Winy Maas, Jacob van Rijs, Nathalie de Vries, Fotografie Ossip van Duivenbode

 

Bei aller Affinität zu neuen Medienformen hat das gedruckte Buch in Korea seine Bedeutung nicht verloren, wie die großzügig gestaltete Starfield-Buchhandlung beweist. Auf  2.800 Quadratmetern werden 50.000 Bücher in Regalen präsentiert, die sich über mehrere Etagen erstrecken.

 

 

Das einst verfallene, schon dem Abriss preisgegebene Armenviertel Ihwa wurde durch das „Naksan Public Art“-Projekt des Kultusministeriums im letzten Moment gerettet und wiederbelebt. An dem Projekt beteiligten sich 70 Künstler und Kunststudenten mit Wandgemälden, Skulpturen und Installationen. Es war so erfolgreich, dass sich die Anwohner durch den neuen Touristenstrom in ihrer Privatsphäre gestört fühlten und einen Teil der Kunstwerke wieder entfernt haben.

 

Unser Guide Denny mit Engelsflügeln

Wanderwege entlang der 600 Jahre alten Stadtmauer bieten immer wieder neue Aussichten auf die Hauptstadt des Joseon-Reichs, das heutige Seoul.

 

 

50 km südlich von Seoul liegt Hwaesong, Koreas bedeutendste Wehranlage.

 

 

Innerhalb der Festung befindet sich der von König Jeongjo als Zweitwohnsitz genutzte Palais Hwaesong-Haenggung.

 

 

Auf dem Exerzierplatz des Palastes werden die 24 Kampfkunstdisziplinen vorgeführt, die König Jeongjo in einem Regelwerk archivieren ließ.

 

 

Von Seoul fahren wir nach Osten in Richtung Japanisches Meer, welches in Korea Ostmeer heißt – der Namensstreit ist einer der vielen Konfliktpunkte zwischen Japan und Korea, die vor allem aus der Phase der japanischen Kolonialherrschaft herrühren und Ausdruck eines immer noch bestehenden, tiefen gegenseitigen Misstrauens sind. An unserem Weg liegt die kleine, künstlich angelegte Flussinsel Nami, ein zum Landschafts- und Freizeitpark entwickeltes, bei den Einheimischen äußerst beliebtes Tagesausflugsziel. Nami war Drehort der in ganz Ostasien von Japan bis zu den Philippinen sehr populären TV-Serie „Winter Sonata“. Diese Seifenoper soll die „Koreanische Welle“ – darunter versteht man die weltweit ansteigende Beliebtheit der zeitgenössischen südkoreanischen Pop-Kultur bestehend aus K-Popmusik, K-Dramen und K-Filmen – überhaupt erst losgetreten haben.

 

 

Am späten Nachmittag erreichen wir das ehemalige Fischerdorf Sokcho, das sich in den letzten Jahren zu einem Touristenort gemausert hat. Der Ort liegt  nördlich des geschichtsträchtigen 38. Breitengrades, weshalb er bis zum Koreakrieg Anfang der 50er Jahre zu Nordkorea gehörte. Verschiedene Strände laden zum Relaxen ein. Hier treffen wir auf eine Reisegruppe älterer Koreaner, die – nachdem sie uns bemerkt haben – ganz aufgeregt „Amerikaner, Amerikaner“ rufen und – obgleich wir sie enttäuschen müssen, indem wir uns als Deutsche zu erkennen geben – unbedingt ein Foto mit uns machen wollen.

 

 

Wir erfahren, dass die Männer Veteranen des vor fast 50 Jahren beendeten Vietnamkriegs sind und dass Südkorea nach den USA mit 300.000 Soldaten die zweitgrößte Streitmacht in diesem unheilvollen Konflikt stellte. Auch wenn Südkorea aus Sicht von Vietnam damals auf der „falschen Seite“ kämpfte, sind sich die beiden Länder angesichts der sie umgebenden aggressiven Großmächte China und Russland mittlerweile sehr viel näher gekommen.

Wir nehmen Quartier in Sokcho mit Blick auf die Granitgipfel des Seoraksan-Nationalparks, den wir am nächsten Tag besuchen wollen.

 

 

Die koreanische Küche versteht sich als Philosophie, nach der die Energien von Yin und Yang ausgeglichen sein müssen – woraus sich etliche Grundregeln der Essenszubereitung ableiten. Unsere Restaurantbesuche sind sowohl ästhetisch als auch aromatisch fast immer ein Erlebnis, so auch in diesem kleinen Lokal in Sokcho. Anders als in China, wo die Gerichte in einer genau festgelegten Folge nacheinander aufgetafelt werden, steht in Korea das komplette Essen auf dem Tisch.

 

 

Der Seoraksan-Nationalpark ist mit seinen bizarren Felsformationen, steilen Schluchten, Kieferwäldern, alten Tempeln und vielen Wanderwegen ein wahrer Touristenmagnet.

 

 

Leider fehlt uns für eine ausgedehnte Wanderung die Zeit; wenigstens den Shinheung-Tempel, das „Kloster, bei dem der Geist klar wird“, können wir uns aber ansehen.

 

Wächter-Dämonen beschützen den Tempeleingang

 

 

Der 15 Meter hohe, von einer Flammen-Aureole eingerahmte Bronze-Buddha genießt wie wir den herrlichen Blick auf das Seorak-Gebirge.

 

 

Diese giftige Grubenotter, über die wir fast stolpern, ist eine von rund 2.000 Tierarten im Seoraksan-Nationalpark, der von der UNESCO als Biosphärenreservat ausgezeichnet wurde.

 

 

Zurück in Sokcho, machen wir einen Abstecher in die Markthalle mit ihrem Gewirr von Gassen auf unterschiedlichen Ebenen, wobei sich das Angebot in jeder Gasse auf eine Produktgruppe konzentriert – zum Beispiel auf Seafood einschließlich halb oder ganz getrocknetem Fisch, auf Chilis, auf Geflügel oder auf Sundae – das ist eine Art Blutwurst, bei der die Wurstmasse in Därme oder auch in die Körper von Tintenfischen gefüllt wird…

 

 

Wir setzen unsere Fahrt nach Süden fort und kommen nach Andong, einer Hochburg der aus China importierten konfuzianischen Kultur und Staatsideologie mit zahlreichen privaten Eliteschulen, von denen wir eine der berühmtesten, die Akademie von Byeong-san Seowon, besuchen.

 

 

Der Mandaeru-Pavillon  bietet Platz für 200 Personen mit Blick auf den ruhig dahinfließenden Nakdong und den Berg Byeong-san – wer hätte nicht gerne in dieser beschaulichen Umgebung gelernt?

Wie in allen konfuzianischen Akademien gibt es auch hier einen Schrein, der einem großen konfuzianischen Lehrer, meist mit regionalem Bezug, gewidmet ist. Allerdings sind die Zugangstore verschlossen, der Schrein ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

 

 

Nicht weit von Andong liegt malerisch in einer Flussschleife das Dorf Hahoe. Mit seinen 130 Gebäuden ist es die älteste Hanok-Siedlung Südkoreas.

 

 

Bei unserer Reise quer durchs Land verlieren wir die Berge praktisch nie aus den Augen – sie bedecken rund 70% der koreanischen Halbinsel. Deshalb werden die Städte so kompakt wie möglich, das heißt in die Höhe, gebaut. Die Vorstädte sehen überall gleich aus: Uniforme Wohnsilos mit 25 Stockwerken und mehr bestimmen den ersten Eindruck, wenn man sich einer Großstadt wie Daegu nähert.

 

 

Wir kennen nicht viele Länder, in denen man so bequem wie in Südkorea reisen kann. Vielspurige Autobahnen durchkreuzen das Land, das sich in wenigen Jahrzehnten von dem eher rückständigen „Land der Morgenstille“ zu einer führenden Industrienation entwickelt hat. Der Wirtschaftsboom machte eine gute Infrastruktur notwendig – und entsprechend zielstrebig wurde gehandelt. Großstädte und Berge sind oft über viele Kilometer untertunnelt, um den reibungslosen Verkehrsfluss zu gewährleisten. Fahrbahnstreifen mit „Rüttelasphalt“, plötzlich aufheulende Polizeisirenen oder Lichtinstallationen mit wechselnden Farben sollen verhindern, dass man in den monotonen Tunnelröhren einschlummert.

Ein „Muss“ jeder Südkoreareise ist der in der Bergwelt des Gayasan-Nationalparks versteckte Haeinsa-Tempel, der zu den drei größten Klosteranlagen des Landes gehört.

 

 

Die kulturelle Bedeutung des Tempels rührt vor allem daher, dass die in über 80.000 hölzerne Tafeln geschnittene Tripitaka Koreana, die umfassendste Sammlung buddhistischer Schriften in Südostasien, hier aufbewahrt wird.

 

 

Vielleicht der Höhepunkt unserer Südkoreareise ist Gyeongju, die alte Hauptstadt des Vereinigten Königreichs Silla – der ersten Dynastie, die über die gesamte koreanische Halbinsel herrschte und während ihrer 1.000-jährigen Regentschaft die eigenständige koreanische Kultur und Geschichte überhaupt erst begründet hat. Zu ihrer Blütezeit lebten etwa eine Million Menschen in der Stadt, die damals ein Vielfaches ihrer heutigen Größe einnahm. Die Historischen Bezirke mit ihren zahlreichen Relikten der traditionellen koreanischen Architektur und des koreanischen Buddhismus liegen daher weit verstreut in einer parkähnlichen Landschaft mit ausgedehnten Mohnfeldern, die gerade in voller Blüte stehen.

 

 

Doch bevor wir mit der eigentlichen Besichtigung beginnen können, gehen wir Hals über Kopf unseres Reiseführers Denny verlustig: Acht Tage nach unserer Einreise ist ein weiterer PCR-Test vorgeschrieben, den wir im örtlichen Krankenhaus durchführen lassen. Beim gemeinsamen Abendessen am Vortag fallen uns Dennys fiebrig-glänzenden Augen und Schweiß auf seiner Stirn auf. So ermuntern wir ihn, sich ebenfalls testen zu lassen – und prompt fällt der Test positiv aus. Das tut uns sehr leid für Denny, der sich so auf seinen Job nach der langen Zwangspause gefreut hatte – gute Besserung! Glücklicherweise kann uns die Reiseagentur kurzfristig einen neuen Guide und Fahrer für die restlichen Reisetage zur Verfügung stellen.

In Gyeongyu gibt es mehr als 200 Hügelgräber, in denen Könige und hohe Würdenträger bestattet wurden. 23 Königsgräber befinden sich im Daereungwon-Park („Park der großen Gräber“), von denen bisher etwa die Hälfte geöffnet wurde, aber nur eines, das Cheonmachong-Grab („Grab des Himmlischen Pferdes“) für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Dieses wie andere Gräber sind nach besonders markanten Fundstücken benannt, da man die Gräber oft nicht konkreten historischen Persönlichkeiten zuordnen kann.

 

Das Grab von König Michu

 

 

Bei der Öffnung des Cheonmachong-Grabs Anfang der 1970er Jahre wurden zigtausend wertvolle Grabbeigaben gefunden, von denen einige als Repliken in dem Grab gezeigt werden. Die Originale sind in dem fantastischen Gyeongyu National Museum ausgestellt – neben Seoul die bedeutendste Kunstsammlung des Landes.

 

 

Im Museumspark schützt ein luftiger Pavillon die 3 1/2 Meter hohe, 19 Tonnen schwere bronzene Emille-Glocke aus dem 8. Jahrhundert. Über die Entstehung der Glocke haben wir verschiedene Versionen einer Legende gehört, die allesamt den gleichen gruseligen Kern haben, dass nämlich der Glockengießer nach mehreren Fehlversuchen zwecks Klangverbesserung ein Kind in das geschmolzene Metall geworfen habe, um seinem Auftraggeber, König Seongdeok, zu gefallen.  Das Kind starb mit dem letzten Aufschrei „Emille!“ („Mutter!“) und lebt im Namen der Glocke weiter. Ob ihr Klang, wie überliefert, tatsächlich einem „Em-Il-Le“ ähnelte und über 40 Kilometer zu hören war, können wir nicht bestätigen: Aufgrund eines langen Risses ist die Glocke heute nicht mehr funktionsfähig.

 

 

Der Bulguk-Tempel ist die bedeutendste buddhistische Anlage Koreas. Im Unterschied zu späteren Tempelbauten liegt er auf einer über 100 Meter langen Steinplattform als Sinnbild des Aufstiegs von der menschlichen Welt ins buddhistische Paradies. Zwei Steintreppen mit ihren „33 Stufen zur Erleuchtung“ führen hinauf zum Jahamun-Tor.

 

 

Solche kernige Türstehertypen sind uns bereits aus anderen Tempelanlagen bekannt…

 

 

Im Haupthof des Tempels steht das 1.300 Jahre alte, berühmteste Pagodenpaar Koreas – die Seokga-tap, die in ihrer Schlichtheit den in den ewigen Frieden eingegangenen Buddha repräsentiert, und die Dabo-tap oder „Pagode des Großen Schatzes“, die in ihrer bildhauerischen Fülle den Reichtum der Innenwelt symbolisiert.

 

Durch ein Fenster in einer Steinlaterne fällt der Blick auf den Sakyamuni Buddha, der in der Haupthalle (“Daeungjeon”) des Bulguk-Tempels verehrt wird.

 

Lotuslaternen mit Gebets- und Bittzetteln

 

 

Der hölzerne Gong in Fischform (Mokeo) gehört zum Ensemble der Vier Instrumente, die ausgewählt sind, die Lehre Buddhas durch ihren Klang zu verbreiten.

Wir vergessen auch nicht, das Goldene Schwein zu  streicheln, um seinen Segen zu erhalten, denn es ist traditionell ein Symbol für Reichtum und Glück – und nebenbei im chinesisch-koreanischen Kalender das letzte der zwölf Tierkreiszeichen (weil es sich bei dem vom Jade-Kaiser veranstalteten Großen Rennen eine kurze Fresspause gönnte und dabei unglückseligerweise einnickte, so dass es als letztes Tier über die Ziellinie ging).

 

 

Nicht weit vom Bulguk-Tempel entfernt liegt die künstliche, in Granit gebaute Seokguram-Grotte, die sich um Koreas wohl meistverehrte Statue, den 3 1/2 Meter hohen Buddha Shakyamuni, wölbt. Aufgrund seines entspannten Gesichtsausdrucks haben die Koreaner die Statue „Das Lächeln Sillas“ getauft.

 

 

Zwei Tage in Gyeongju, dem „Museum ohne Mauern“, sind angesichts der vielen Sehenswürdigkeiten knapp bemessen, doch unsere Gedanken kreisen zunehmend um unser Boot, das – wie wir hören – startbereit auf der anderen Seite des  Japanischen Meers in der Millionenstadt Fukuoka im Südwesten Japans liegt. Von dort sind es nur 100 Seemeilen bis zur südkoreanischen Hafenstadt Busan, wo wir „Alumni“ in Empfang nehmen wollen. Am 23. Mai, zehn Tage nach unserer Abreise aus Deutschland, nehmen wir Quartier im Westin Busan. Das Hotel liegt direkt an Koreas Strand Nummer 1 bei Haeundae und ist nur einen kurzen Spaziergang vom Yachthafen entfernt – der perfekte Ort, um auf das Eintreffen von „Alumni“ zu warten und die quirlige, mit 3 1/2 Millionen Einwohnern zweitgrößte Stadt des Landes kennenzulernen, die den fünftgrößten Containerhafen der Welt besitzt.

 

Den besten Blick über die Stadt hat man vom Busan-Turm im Yongdusan-Park.

 

 

Ganz in der Nähe liegt der farbenprächtige Jagalchi-Fischmarkt – es gibt kaum ein Meereslebewesen, das hier nicht angeboten wird.

 

 

Der Haedong Younggungsa ist einer der wenigen Tempel Koreas, die direkt am Wasser liegen.

 

 

Als Gastgeberin eines in der Branche sehr beachteten Internationalen Filmfestivals ist Busan auch eine bekannte Filmstadt und dient in vielen Filmen als Kulisse.

 

 

In den 1950er Jahren kamen zahlreiche Flüchtlinge des Koreakrieges aus dem Norden und ließen sich in dem kleinen Stadtviertel Gamcheon auf einem Hügel im Westen von Busan nieder. Erst in den letzten zwölf Jahren hat sich die ärmliche Siedlung aufgrund einer Initiative des Kultusministeriums zu einem Ort für Kultur und Straßenkunst entwickelt. Die bunten Gebäude, Wandmalereien und Skulpturen junger Künstler ziehen heute viele Besucher in das Terrassendorf – eine ähnliche Erfolgsgeschichte, wie wir sie im Ihwa Mural Village in Seoul kennengelernt haben.

 

 

Von einer kleinen Aussichtsplattform blickt Saint-Exupérys „Kleiner Prinz“ auf das Meer in Richtung Japan, von wo wir morgen früh „Alumni“ erwarten.

 

 

Dann ist es endlich so weit, Film und Fernsehen stehen am Morgen des 25. Mai 2022 zur Begrüßung bereit…

 

 

…und da kommt sie! Für uns ist es ein schöner, wenn nicht sogar bewegender Moment, „Alumni“ nach fast zwei Jahren wieder leibhaftig vor uns zu sehen. Langsam gleitet das Boot vorbei an der  imposanten Gwangandaegyo-Brücke und läuft in den Yachthafen ein.

 

 

Wir begrüßen Daniel und seinen Sohn Sam, die „Alumni“ in einer ruhigen Nachtfahrt von Fukuoka überführt haben. Das Einklarierungsprozedere, beginnend mit dem obligatorischen PCR-Test, wird von unserem Agenten Global-Korea in der Person von Mr. Lee souverän begleitet und läuft völlig reibungslos ab – eigentlich müssen wir nur ein paar vorbereitete Unterlagen unterzeichnen.

 

 

Daniel hatte sich in Japan während unserer Abwesenheit um „Alumni“ gekümmert. Einen vollen Tag gehen wir gemeinsam die technischen Systeme durch und vergewissern uns, dass alles funktioniert und das Boot für die vor uns liegenden Herausforderungen auf der Nordroute über den Pazifik bereit ist. An Deck fallen die beiden knallorangenen, flexiblen Dieseltanks auf, die wir sicherheitshalber installieren ließen: Die nächste Tankstelle liegt über 3.000 Seemeilen entfernt in Alaska; zwischendurch müssen wir mit allen Wind- und Wetterbedingungen, auch mit Flauten und Kälte, zurechtkommen – und wir wollen nicht riskieren, unsere Heizung, die seit Patagonien „Sankt Webasto“ bei uns heißt, wegen Dieselknappheit nicht mehr anschalten zu können.

Am 27. Mai verabschieden wir uns von Daniel und Sam. Da die Schnellfähre zwischen Busan und Fukuoka pandemiebedingt immer noch nicht verkehrt, nehmen die beiden den berühmten Hochgeschwindigkeitszug KTX, der Busan in einer Fahrzeit von nur 2 1/2 Stunden mit Seoul verbindet (die Zeit reicht gerade, um sich den seichten, aber überaus effektvollen, blutrünstigen K-Blockbuster und Zombiethriller „Train to Busan“ auf dem Tablet anzuschauen). Beim Rückflug vom Flughafen Incheon nach Fukuoka sind – außer erneuten PCR-Tests vor und nach dem Flug – keine weiteren Hindernisse zu erwarten, weil beide ihren Wohnsitz in Japan haben.

Noch am selben Tag wechseln wir von der Komfortzone „Hotel“ auf  die schwankenden Planken von „Alumni“, müssen uns nach so langer Zeit erstmal wieder mit dem Schiff vertraut machen und beginnen zügig mit der großen Verproviantierungsschlacht. Diese ist gar nicht so schwierig wie erwartet – es gibt einen erstklassig sortierten Großmarkt der US-amerikanischen Costco-Kette und weitere lokale SB-Märkte, die ein kleines internationales Produktangebot haben. Mr. Lee kennt die Vorlieben seiner Kundschaft – sonst Berufsseeleute aus aller Welt, wir sind seine ersten „Yachties“ – und steuert uns zielsicher durch das dichte Straßennetz Busans zu den diversen Outlets. In einem kleinen Eckgeschäft in der Nähe unserer Marina stoßen wir sogar auf Dosen mit alkoholfreiem Heineken-Bier, wir können etliche Paletten nachordern und zwei Tage später auf einer geliehenen Sackkarre zum Schiff befördern. Danach sind wir für mindestens vier Monate in der Einsamkeit Alaskas überlebensfähig und die Stauräume von „Alumni“ wieder gut gefüllt.

Dass wir einen Gastliegeplatz in unserer Marina bekommen haben, der einzigen weit und breit, ist im Übrigen alles andere als selbstverständlich und unserem gut vernetzten Agenten zu verdanken. Mehrfach fragen uns koreanische Segler, die selbst abgewiesen wurden, wie wir das angestellt hätten.

Die Marina ist Mitte der 1980er Jahre durch Landaufschüttung entstanden und diente während der Olympischen Sommerspiele 1988 als Segelzentrum; sie gilt als der schönste Yachthafen Koreas. Auf dem gewonnenen Neuland wurde der von Daniel Libeskind entworfene, auf drei Seiten von Wasser umgebene Hochhauskomplex „Marine City Busan“ errichtet – auch die neue Skyline hat den Ruf, die attraktivste des Landes zu sein.

 

„Alumni“ vor der Kulisse der Marine City

 

Schnell kommen wir in Kontakt mit unseren Stegnachbarn, vor allem mit Kimwolf, der zusammen mit seinem Vater, einem pensionierten Physiklehrer, Ausflugsfahrten in der Hafenbucht von Busan auf ihrer „Aloha“, einer deutschen Hanse 388, anbietet. Uns ist schon öfters aufgefallen, dass die Südkoreaner ein Faible für Produkte aus Germanien haben – nirgendwo im außereuropäischen Ausland haben wir – zumindest gefühlt – so viele Autos deutscher Premiumhersteller gesehen wie hier.

 

 

Wir lernen auch Kimwolfs Freundin kennen, die er uns als „MJ“ vorstellt – ihr koreanischer Name ist offenbar für Europäer hoffnungslos kompliziert auszusprechen und erst recht zu merken.

 

 

MJ hat in Großbritannien Architektur studiert und ihre Ausbildung mit einem PhD abgeschlossen, Kimwolf arbeitete viele Jahre in Seoul in der Mediensparte und würde am liebsten mit Videoproduktionen im Sportbereich beruflich Fuß fassen. Auf Youtube gibt es einige, wie wir finden, sehenswerte Kostproben mit Regattaaufnahmen vor Busan-Panorama:

(2801) 김울프 KIMWOLF – YouTube

Die beiden sind selbst Supersportler – er taucht ohne Geräte mühelos über 40 Meter tief und ist in allen Wassersportarten zu Hause, sie läuft Marathon – ein äußerst sympathisches, aufgeschlossenes junges Paar und beispielhaft für etliche Begegnungen, die wir in Korea haben. Wir verbringen viele nette Stunden zusammen. Dabei erfahren wir auch den Hintergrund des für uns ungewöhnlich klingenden Namens Kimwolf: Er selbst hat dem Familiennamen, welcher in Ostasien traditionell vor dem Vornamen steht, seinen Spitznamen „Wolf“ als Unterscheidungsmerkmal und „brand“ für den angestrebten Marktauftritt hinzugefügt. Denn fast die Hälfte der koreanischen Bevölkerung heißt Kim, Lee oder Park, weil die Menschen bis zur Abschaffung des Klassensystems Ende des 19. Jahrhunderts überhaupt keinen Familiennamen besaßen und danach einfachheitshalber den Namen des Königs- oder Herrscherhauses annahmen, für das sie gearbeitet hatten.

Im Gegensatz zu der sehr aktiven Regattaszene bei den Jollen und Kielbooten scheint das Fahrtensegeln in Korea nicht so verbreitet zu sein. Es fahren zwar ständig Sportboote aus der Marina ein und aus – Deck und Cockpit bis auf den letzten Quadratzentimeter mit überwiegend jungen Leuten vollgestopft -, doch handelt es sich dabei um kommerzielle, knapp einstündige Rundfahrten durch die Hafenbucht von Busan, auf denen meist nicht mal die Segel gesetzt werden. Wir hören, dass es bei den recht preiswerten Fahrten für die Teilnehmer allein darum geht, auf TikTok & Co. mal ein vom Mainstream abweichendes Foto  zu posten.

Wir beginnen, uns intensiver mit dem Wetter auf der vor uns liegenden Strecke zu befassen. Die einzig vernünftige Zeit für den Törn im Bereich der Aleuten und im Golf von Alaska ist Mitte Sommer, wenn das Wetter wärmer und die Tage länger sind. Eine gute Startzeit aus dem westlichen Nordpazifik ist daher Ende Mai bis Mitte Juni, bevor im Zuge der Erwärmung der asiatischen Landmasse der Südwestmonsun mit starken Regenfällen, Windböen und gelegentlichen Gewittern einsetzt und auch das Taifunrisiko wieder ansteigt. Aufgrund der Wettervorhersagen und Grib Files legen wir den 8. Juni als Abreisedatum fest.

Am Vorabend unserer Abfahrt macht Kimwolf bei Arbeiten im Mast seiner „Aloha“ noch ein letztes Foto. Schiff und Besatzung sind startklar!

 

Foto: Kimwolf



2 Kommentare

  • Org # Direkt antworten

    Lieber Rolf,
    inzwischen sind wir auf der Ostseite des Nordpazifiks gelandet, seit September in Tacoma (Nachbarstadt von Seattle). Die Route von Südkorea über die Aleuten, Alaska und Britisch-Kolumbien war ein weiteres Highlight unserer bisherigen Reise. Seit zwei Wochen sind wir (die Crew) zurück in Deutschland und setzen alles daran, unsere Eindrücke in Wort und Bild möglichst bald an dieser Stelle wiederzugeben.
    Obgleich wir in diesem Jahr für unsere Verhältnisse mehr „gebummelt“ und viele wunderschöne, verglichen mit Europa oder der Karibik, weitgehend leere Ankerplätze an der amerikanischen Nordpazifikküste aufgesucht haben, bleibt das Gefühl, dass hier noch viel Sehenswertes auf uns wartet. Wir wollen daher im nächsten Jahr zurück nach Britisch-Kolumbien und – gegen den Uhrzeigersinn – um Vancouver Island, bevor es nonstop nach San Francisco und weiter entlang der südkalifornischen Küste bis Ensenada/Mexiko geht.
    Nach Europa wollen wir mit dem Boot eigentlich nicht mehr zurück, lieber noch ein viertes Mal über den Pazifik, z.B. zum Surfer-Paradies Hawaii, das wir noch nicht kennen – wer weiß, vielleicht treffen wir uns dort…

  • Rolf D. Gosche # Direkt antworten

    Liebe Alumni-Crew,
    ich bin mit Interesse über die Bobby Schenk-WebSite bei euch „gelandet.“
    Wo treibt ihr euch aktuell rum?
    Mast & Schobruch!
    Rolf D. Gosche
    (76 J., ex Lasersegler, jetzt Surfer)

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